Alexander Ginter

27. September bis 1. November 2009, Buchen, Kulturforum Vis-à-Vis

Alexander Ginter

Nacht Vision - Welcome to my room

Ein weites Ausdrucksfeld künstlerischer Formulierungen ist auszumachen bei den Arbeiten des in Dossenheim arbeitenden und lebenden Künstlers Alexander Ginter. Und dies gilt es in der neuen Ausstellung des Kunstvereins Neckar-Odenwald im Vis-à-Vis in Buchen zu erkunden.

Der Ausstellungstitel „Nachtvision - welcome to my room“ lässt zunächst nur ahnen, welches Thema sich dahinter verbirgt. Gewisse „Chatrooms“ sind das Thema. Einmal angeklickt, landet der Internetnutzer in einem riesigen vernetzten Gebilde, das sexuelle Begierden und Wünsche weckt. Deren Erfüllung sei dahingestellt. Ginter jedenfalls nimmt diese Situation zum Anlass, das Spannungsverhältnis zwischen intimster Privatheit und dem öffentlichen, virtuellen Schnellversprechen zu untersuchen.

Aber: Ginters Räume sind leer, auf den Plüschkissen tummelt sich niemand, alles bleibt Ahnung, hohles Versprechen, Andeutung. Mit seinen künstlerischen Ausdrucksmitteln - Malerei, Fotografie und Installation - seziert und entlarvt Ginter das komplexe menschliche Verhalten in unserer globalisierten, scheinbar immer und zu allem bereiten Computerwelt

Der 1972 geborene Alexander Ginter studierte an der Freien Kunstschüle Rödel in Mannheim sowie an der Kunstakademie Rhein-Neckar. Dann schlossen sich noch weitere Semester beim renommierten holländischen Installationskünstler Adriaan Rees an.

Ulrike Thiele, Ausstellungskuratorin

 

 

Night Vision – welcome to my room

Einführung von Dr. Kristina Hoge anlässlich der Vernissage am 27. September 2009

 

Unzählige Fernsehformate des so genannten Reality TV haben seit der Erfindung von big brother Einblick in die privatesten Bereiche der Teilnehmer ermöglicht. Das Publikum, welches sich an derartigen Formaten ergötzt, ist genau auf diese Entblößung privater Dinge, auf das Ausbreiten von Heimlichkeiten in aller Öffentlichkeit erpicht. Die Quote stimmt und es finden sich zahlreiche Freiwillige, die bereit sind, jedermann an ihrem mal mehr mal minder spannenden Leben teilhaben zu lassen. Neben dem Fernsehen ist das Internet nicht nur der wichtigste Ort, um einfach und schnell Zugriff auf Daten und Informationen zu erhalten, sondern mittlerweile so etwas wie ein virtueller Lebensraum, innerhalb dessen sich auf social platforms wie xing, yasni, facebook, studi-vz geschäftliche Kontakte sowie alte Freundschaften pflegen und neue finden lassen. Kontaktbörsen bieten zwischenmenschliche Annäherung an, wo diese in der realen Welt nicht mehr gelingt und via twitter werden rund um die Uhr belanglose Botschaften verbreitet – Privates ist also omnipräsent. Wen wundert es da, dass auch der Blick in die Schlafzimmer und bis auf die Unterwäsche im Internet bereitwillig ermöglicht wird? Und zwar nicht nur von Professionellen, sondern von ganz ‚normalen’ Menschen.

Der „Blick durch das Schlüsselloch“ wird freiwillig gewährt und hat nichts mehr Heimliches und Exklusives an sich.

Auf diese Doppelbödigkeit spielt schon der Titel zu Alexander Ginters Ausstellung an. Es geht um Bilder aus Sex Chat Räumen, die er im Internet aufgenommen hat. Plüschige, gestylte oder triste Räume ohne Personen, die genau von dieser Ambivalenz zwischen heimlichem Voyeurismus und bereitwilliger Einladung zur Teilnahme am Intimleben, zwischen Anonymität und Privatheit erzählen. Der Chat-Teilnehmer, der sich auf diesen Pfaden im Netz tummelt, findet die wiedergegebenen Räume für gewöhnlich belebt vor und kann somit ganz bequem von seiner Position vor dem Bildschirm, den jeweiligen Bewohnern über eine Webcam bei alledem zusehen, bei dem sie den anonymen Gast aus dem Netz teilhaben lassen wollen. Alexander Ginter zeigt uns diese Räume im Leerzustand. Einerseits wird die Neugier des Betrachters auf pikante Details geweckt - wirken einige der Bilder nicht noch etwas anzüglicher, wenn man weiß, dass der Künstler als Trägermaterial gebrauchte Bettwäsche anstelle von Leinwand verwendet hat und doch bleibt die Lust am Voyeurismus letztlich aber unbefriedigt, nackte Tatsachen werden nicht enthüllt.

Nur vordergründig wird den Beteiligten eine gewisse Anonymität zurückgegeben, bei näherer Betrachtung betreibt der Künstler auch hier sein Spiel mit Ambivalenzen. So fällt der Focus auf die Einrichtungsdetails der menschenleeren Zimmer. Eigenartig, wie diese Räume, obwohl unbelebt, uns doch von der Persönlichkeit ihrer Bewohner erzählen. Sie nehmen gleichsam eine Stellvertreterfunktion ein und werden zum Spiegel der sozialen Verhältnisse und Probleme unserer modernen Gesellschaft. Wie wichtig ist uns noch die Wahrung einer Privatsphäre? Die Nachteile von zu viel Laxheit im Umgang mit persönlichen Informationen werden gleichfalls angesprochen. Nicht nur freiwilliger Exhibitionismus begegnet in Ginters Bildern, auch Kontrolle und Überwachung etwa von öffentlichen Plätzen oder Räumen sind präsent. In diesen Fällen bedient sich Ginter der Form des Fotoabzugs und erreicht damit einen stärker nüchtern-dokumentarischen Charakter.

In einer Installation mit Draht und Gurtbändern werden schemenhaft weibliche und männliche Konturen angedeutet, die unvermittelt im Raum begegnen. Diese Inszenierung lässt denken an die Warnung vor dem ‚gläsernen’ Menschen, über den reichlich Daten- und Informationsmaterial kursiert, welches, einmal eingestellt, oft nicht wieder zurückgenommen werden kann. Gleichsam gesichtslos und blutleer geistern Persönlichkeitsfragmente durch virtuelle Welten, fiktive Charaktere bieten Freundschaften, Rat und Hilfe an, ohne wirklich real zu existieren. Unausweichlich, wie in Ginters Installation für den Kunstverein, sind wir mit diesen Dingen konfrontiert und dazu angehalten immer wieder aufs Neue, Sinn und Gehalt solcher Informations- und Begegnungsquellen zu überprüfen.

Es sind diese feinen Nuancen und Ambivalenzen, auf die Alexander Ginter mit seiner konzeptuellen Kunst eingeht. Gesellschaftskritische Inhalte vermittelt er auf subtile Weise, macht neugierig, regt zum Nachdenken und zur tieferen Auseinandersetzung mit den Inhalten an.

 

 

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