Palimpsest

Rhein-Neckar-Zeitung, 19. September 2011

In seiner ganz eigenen Bildsprache

Die Volkshochschule Mosbach präsentiert Arbeiten eines Malers, der sich treu bleibt

 

 

Bis in den Frühling hinein werden sie unter dem Titel „Palimpsest – drunter und drüber“ die Räume der Volkshochschule Mosbach schmücken – die Malereien des Peter Lahr: die richtigen Bilder, um über dunkle Wintertage hinweg zu helfen mit ihrer kraft- und lebensvollen Farbigkeit.

Die Volkshochschule hatte zu einer Ausstellungs-Eröffnung geladen, die gleichzeitig freudiger Auftakt des neuen Semesters werden sollte. Oberbürgermeister Michael Jann kam gerne seiner Pflicht als 1. Vorsitzender der VHS nach, die bunte Runde der Besucher zu begrüßen und zu einem guten Start in ein neues Semester beizutragen. Ebenso wie die Leiterin der Volkshochschule, Dr. Katrin Sawatzki, die sich hoch erfreut darüber zeigte, mit Peter Lahr einen Kunstschaffenden gewonnen zu haben, der sich in unserer Region in doppelter Hinsicht einen Namen gemacht hat – durch seine künstlerische Arbeit als Zeichner und Maler einerseits, durch seine kompetente kulturelle Presse-Berichterstattung andererseits.

Das Streichquartett des Kammerorchesters der Volkshochschule schuf für diese Vernissage einen wohlklingenden Rahmen mit zwei argentinischen Tangos von Enrique Francini und Ausschnitten aus dem 2. Streichquartett von Michael Schunk.

Die Laudatorin Angelika Hipp vom Thalia-Theater Ravensburg verhalf mit ihrer Einführung zu einem vertieften Verständnis der ausgestellten Arbeiten. Zunächst klärte sie darüber auf, dass der Ausstellungstitel „Palimpsest“ sich auf die Angewohnheit des Künstlers bezieht, häufig ältere seiner Bilder zu übermalen. Palimpseste waren im Altertum und im Mittelalter Manuskripte, die getilgt und neu beschrieben wurden, aus Sparsamkeitsgründen zumeist, denn Manuskriptmaterial war sehr wertvoll. Bei Peter Lahr steht dieser Begriff für eine persönliche Arbeitsweise, die sich für ihn herauskristallisierte. Neue Arbeiten auf alten Werken zu schaffen bei mehr oder weniger deutlicher Einbeziehung des bereits Bestehenden. Und das funktioniert gut, wie Angelika Hipp bestätigte: die Bilder werden reicher an Geschichte und Geschichten. Dabei bleiben sie sich auch immer treu, denn Peter Lahr hat sein gesamtes Oeuvre der Aktmalerei gewidmet und hat hier seine eigene, unverwechselbare Bildsprache entwickelt.

Schauplatz dieser Entwicklung war (und ist bis heute) das Tübinger Zeicheninstitut, wo er sich bereits während seines Studiums der Archäologie und Kunstgeschichte auch dem Studium des menschlichen Körpers „ergab“. Die Faszinationskraft der Aktmalerei ist für ihn ungebrochen und seine Bilder geben diese Faszination weiter, wir verstehen den Künstler und seine Treue zum Sujet.

Peter Lahr nennt da drei verschiedene „Entwicklungswege“, den seine Gemälde bei der Arbeit gehen können: da sind zum einen die „einfachen, die statischen Bilder, die gleich stimmen“. Dann gibt es die Gemälde, in denen Lahr mit Spiegelungen, Doppelungen, Schatten oder Silhouettierungen arbeitet: hier wird das Bild im Arbeitsprozess auch einmal gedreht oder gekippt und in gewisser Weise wieder einem Neubeginn unterworfen.

Und dann kennt Lahr die Entwicklung seiner Bilder, die zu dem führt, was er seine Palimpseste nennt – Übermalungen, teils unter direkter, teils ohne Einbeziehung des bereits Bestehenden – aber immer in Reaktion darauf, denn einfache weiße Übermalungen sind ihm verpönt, wie Angelika Hipp betonte. Sie wies auch darauf hin, dass Lahr immer wieder in Beziehung tritt zu Erscheinungen und einzelnen Künstler der Kunstgeschichte. Die Deutschen Marc und Pechstein werden da als Inspiration deutlich, ebenso wie Henri Matisse und die neue Figuration der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Peter Lahr ist und bleibt dabei aber mit seiner deutlichen Handschrift und seiner charakteristischen Farbigkeit immer unverwechselbar und hat da seine ganz eigene Ausdrucksform im Spannungsfeld zwischen Freiheit der Abstraktion und Realitätstreue gefunden!

Angelika Hipp zitierte leitmotivisch das Wort von Pablo Picasso: „Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.“ Eine auf diese Ausstellung  besonders passende Aussage, denn man kann sich als Kunstfreund kaum Spannenderes vorstellen, als diesem Künstler bei seinen immer neuen Lösungen der einen großen Herausforderung zu folgen und sich an der Vielfalt zu erfreuen, die dabei zum Vorschein gekommen ist.  So kann man auch weitergehen und den Begriff „Palimpsest“ noch freier interpretieren: alle Malereien, die in dieser Ausstellung vereint sind, stehen in Bezug zueinander, sind übereinander gelagert, bilden ein organisch gewachsenes Ganzes, bestehend aus Einheiten, die sowohl miteinander kontrastieren wie auch innig miteinander verwandt sind.

 

Bis zum 31. März 2012 wird man sich daran in der VHS-Geschäftsstelle Hauptstraße 96 erfreuen können – zu den üblichen Geschäftszeiten (Montag bis Freitag von 9 bis 12.30 Uhr und Montag bis Freitag von 15 bis 17 Uhr).

Das Foto zeigt Peter Lahr vor einer seiner Arbeiten

 

Text und Foto: Tim Krieger

 

 

 

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