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Rippelmuster, Schmetterlingseffekt und chaotische Systeme

Kunstverein Neckar-Odenwald zeigt im Heilbronner Hagenbucher „Natur – Struktur“ – 24 Künstler beteiligt – Gelebte Partnerschaft mit dem Heilbronner Künstlerbund

Von Peter Lahr

Heilbronn / Neckar-Odenwald-Kreis. Am Freitag präsentierten 24 Künstler aus dem Neckar-Odenwald-Kreis erstmals ihre gesammelten Werke in Form einer Gruppenausstellung im Heilbronner „Hagenbucher“, einem ehemaligen Speicherbau am Neckarufer. Prof. Dr. Volkhard Wolf, stellv. Vorsitzender des Kunstvereins, verband in seiner Laudatio vor 60 Vernissagengästen geschickt die physikalische mit der künstlerischen Seite des Themas „Naturstrukturen“. Seit drei Jahren findet zwischen dem Kunstverein Neckar-Odenwald und dem Heilbronner Künstlerbund ein reger Ausstellungsaustausch statt. Nach drei Ausstellungen Heilbronner Künstler im Alten Schlachthaus in Mosbach trat nun der Kunstverein zum „Gegenbesuch“ an.

Im Hagenbucher, einem Industriedenkmal am Rande der Heilbronner Innenstadt, fand Kurator Werner Zeh, der Vorsitzende des Kunstvereins Neckar-Odenwald, auf zwei Ausstellungsebenen reichlich Raum für eine ebenso luftige wie gelungene Hängung. Im Erdgeschoss dominiert die dritte Dimension, im ersten Obergeschoss ist auch die Malerei vertreten.Während aus Mosbach neben den zahlreichen Künstlern auch Bürgermeister Michael Jann und Klaus Gartzke-Heintz vom Eigenbetrieb Kultur zur Ausstellungseröffnung angereist waren, hielt man nach den Heilbronner Kultur-Offiziellen vergeblich Ausschau. Weder OB Himmelsbach, der in Personalunion auch das Amt des städtischen Kulturreferenten einnimmt, noch Vertreter der Städtischen Museen oder des Heilbronner Kunstvereins waren in den Hagenbucher gekommen. Es scheint nicht nur am fehlenden Geld zu liegen, dass die grandiose Plattform, die der Hagenbucher auch für die „Natur-Struktur“-Ausstellung bot, demnächst wieder ganz in den Dornröschenschlaf (ver-)fallen soll.

Gabriele Wanner, die Vorsitzende des Heilbronner Künstlerbunds, wünschte sich, dass neben dem Organisieren gegenseitiger Ausstellungen auch der Austausch zwischen den Künstlern der beiden befreundeten Institutionen nicht zu kurz käme. Werner Zeh stellte in seiner Begrüßung den Kunstverein Neckar-Odenwald vor und betonte das gute Zusammenspiel von historischer Bausubstanz und moderner Kunst bei der von ihm konzipierten Mitgliederausstellung.

Warum man mit trockenem Sand keine Burgen sondern lediglich unscheinbare Sandhäufchen bauen kann, beantwortete Prof. Dr. Volkhard Wolf gleich zu Beginn seiner mit Verve vorgetragenen, geistreichen Einführung. Die Zuhörer erfuhren bald, weshalb die „selbsorganisierte Kritikalität“ für immer gleiche Böschungswinkel der Sandhäufchen sorge. Auch die faszinierenden Muster im Wüstensand, die Silvia Poss künstlerisch umzusetzen verstehe, gingen letztlich auf diese Selbstorganisationsvorgänge der Natur zurück. Was Wissenschaftler profan als Rippelmuster bezeichnen, jene künstlerisch verwertbaren Spuren des Windes im Wüstensand, seien genau so eine Naturstruktur wie die faszinierenden Muster, die gleichermaßen Blumenkohl und Farnblätter hervorbrächten. Die Selbstähnlichkeit, die dafür sorge, dass ein Farnblatt sich immer gleiche – egal wie groß es ist – entdeckte der Laudator auch in den Arbeiten von Elfriede Pflum. Kopfüber ging es dann in die chaotischen Systeme, die Wolf allerdings nicht im Sinne von „unordentlich“, sondern lediglich als „nichtlinear“ verstehen wollte. Das Spiel mit unseren Sehgewohnheiten und mit dem mathematischen Fraktal sah er in Bernhard Stübers Arbeiten bestens umgesetzt, die den gedachten Körper der idealen Kugel in ein organisches Umfeld stellten.Dass dank des Schmetterlingseffektes bereits ein Flügelschlag über dem Kölner Dom für Regen in Hong Kong sorgen könne, verweise auf die unberechenbaren und vielleicht deshalb ästhetisch so interessanten Prinzipien der Wasseroberflächenstrukturen mit ihren Verwirbelungen und Aufschäumungen, die Gabriele Strittmatters Bildern „Wasser“ zugrunde lägen.

So breit gefächert wie das Musikprogramm des Mosbacher Saxophonquartetts „Sax-Appeal“, das von Bartoks Volkstänzen bis zu Gershwins „Liza“ reichte, zeigten sich auch die 24 ausgestellten Künstlerpositionen.

Gerda Schaller variierte das klassische Klatschmohnblüten-Sujet, indem sie für die überdimensionalen Blütenblätter reliefartig strukturierte Oberflächen schuf. Auf der anderen Seite der Skala standen Ulrike Thieles konkret wirkenden Installationen, die etwa anhand von gerollten und ineinander gesteckten Glasfaserplatten die Gegensätze zwischen künstlichen und natürlichen Strukturen beleuchten. Werner Zeh thematisierte seine Afrika-Reise und integrierte in seine abstrakte Malerei Masken aus Ghana – angesiedelt zwischen gelbflächiger Lebensfreude und dunklen Seiten, wie AIDS.

Für den Künstler etwas zu interaktiv entwickelte sich der Kontakt mit der Boden-Installation „In der Natur des Menschen“. Des öfteren stolperten Besucher über eines der sechs miteinander verbundenen Quadrate, in denen Rolf Fahrbach in Reagenzgläsern die auf Zettelchen geschriebenen Worte „Tat, Wort, Liebe, Glaube, Körper, Geist“ positioniert hatte.

Info: Die Ausstellung „Natur – Struktur“ ist bis zum 26. September im Hagenbucher, Kranenstraße 14, unweit des Hotels „Insel“ in Heilbronn zu sehen. Geöffnet ist dienstags bis samstags von 16 bis 20 Uhr, am Sonntag von 11 bis 18 Uhr.

Rhein-Neckar-Zeitung, 20. 9. 2004

 

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