Pressearchiv 2005

Rhein-Neckar-Zeitung, 8. Juni 2005

 

„Habseligkeiten“ – Vieldeutige Installation wurde im Alten Schlachthaus eröffnet

Von Tim Krieger

Zahlreiche Gäste nicht nur aus der Region fanden sich am vergangenen Sonntag zur Eröffnung der neuen Ausstellung des Kunstverein Neckar-Odenwald im Alten Schlachthaus Mosbach ein.

„Habseligkeiten“ waren zu besichtigen, in Form einer eigenwilligen Installation der in Weinheim und Heidelberg lebenden Künstlerinnen Helga von Jena und Hildegard Peetz.

Professor Wolf, stellvertretender Vorsitzender des Kunstvereins, freute sich, wieder einmal Künstlerinnen von „außerhalb“ vorstellen zu können, und bedankte sich bei ihnen für die greifbar gewordene Auseinandersetzung mit dem Kunstraum Altes Schlachthaus.

Volker Wesch überbrachte als Stellvertreter des Oberbürgermeisters die Grüße im Namen der Stadt Mosbach. Er nutzte offenkundig sehr gerne die Gelegenheit, die langjährige Arbeit des Kunstvereins und ganz besonders die Ausstellungstätigkeit im Alten Schlachthaus zu würdigen und dafür zu danken.

Dass die Hand des Künstlers aus dem ganz Gewöhnlichen etwas ganz Besonderes zu machen versteht, sah er in den ausgestellten Werken bestätigt. Die ebenfalls wichtige soziale Funktion der Kunst brachte er mit einem Zitat Gerhart Hauptmanns auf den Punkt: „Kunst ist Sprache: also im höchsten Sinne soziale Funktion.“

Ursula Pawlak, langjährige künstlerische Leiterin des Kunstverein Schwetzingen, half nun – quasi als Dolmetscherin – in ihrer Einführung in die Arbeiten der beiden Künstlerinnen, einen vertieften Zugang zu dieser hier formulierten Kunst-Sprache zu finden.

Ihre klar formulierten Worte vermieden jegliche Verklausulierungen und gaben gleich zu Beginn Aufschluss über den Kunstterminus „Installation“, womit bereits Wesentliches über die Arbeit „Habseligkeiten“ gesagt war: nach ihrer Auffassung verschränken sich in einer Installation die Objekte des Künstlers mit dem durch die gegebene Architektur bestehenden Raum und erzeugen auf diese Weise selbst einen eigenen Raum, der von der Baulichkeit eingehüllt wird.

Dies war auch die Absicht der Künstlerinnen, die bereits mehrere gemeinsame Installationen erarbeitet haben. Die Besucher sollten dabei, wie auch in Mosbach, Teil der Installation werden. Ihre „Aufgabe“ ist es, durch die sinnliche Erfahrung der Arbeiten deren Kontext und deren Gegensätzlichkeit selbst zu entdecken.

Die Bilder von Helga von Jena sind, wie Ursula Pawlak weiter ausführte, „wie in Glitzerpapier eingewickelte Habseligkeiten“. Diese expressiv ausgeführten Gemälde laufen wie ein schmaler Fries um die Räume herum und werden nur durch die plastischen Arbeiten von Hildegard Peetz unterbrochen. Durchweg in leuchtenden Rottönen gehalten, wecken diese bewegten, abstrakt anmutenden Malereien lediglich Assoziationen an Dingliches, an „Habseligkeiten“. Die Künstlerin hat die Arbeiten bewusst mit schwarzen Rändern versehen, der die Bilder zu zweidimensionalen Schmuckvitrinen werden lassen soll, in dem der Betrachter entdecken mag, was von der Künstlerin hineinlegt wurde oder was er von sich selbst darin entdeckt.

In ihrer Einführung verdeutlichte Frau Pawlak die großen Unterschiede zwischen den Arbeiten der beiden Künstlerinnen: ganz im Gegensatz du den zweidimensionalen Malereien geht es hier in die dritte Dimension.

Eigenartig, grotesk anmutenden weißen, aus Papiermasse handgefertigten Männerfiguren mit weit vorgestreckten Bäuchen und ohne erkennbare Individualität werden konkrete Alltagsgegenstände zugeordnet – eine Fahrradschluss, ein Pinsel, eine Malerrolle.

Der Betrachter kommt ins Rätseln, aber er mag auch lächeln oder gar lachen: denn der Kontrast zwischen „ernster“ Malerei und der Reihe hilflos an der Wand hängender Männer mit ihren zugeordneten „Habseligkeiten“ vermittelt eine gewiss beabsichtigte Ironie.

Daneben gibt es die Ebene der Ästhetik in den Arbeiten von Hildegard Peetz und Helga von Jena: das dominierende, kraftvolle Rot der Malereien mit den rechten Winkeln ihrer Formate kontrastiert reizvoll mit dem Weiß der rätselhaften Männer und ihren Formen.

Die gesamte Wirkung ist stimmig: der hohe, lichte Raum nimmt dieses Wechselspiel harmonisch auf. Der zweite, von Ursula Pawlak postulierte „Raum“, den die Kunstwerke erschaffen, ist tatsächlich entstanden. In diesen beiden Räumen kann sich der Betrachter bewegen: genießend, verunsichert, befremdet, inspiriert – je nach seiner ganz individuellen Reaktion auf das Gegebene.

Die Ausstellung beweist wieder einmal – wie schon die vergangene Installation von Peter Riek, dass der Raum ein Glücksfall für die Kunst ist. Weitaus mehr als nur eine Schachtel aus zu behängenden Wänden, regt er die ausstellenden Künstler zu immer neuen Deutungen an. Der Nutznießer ist der Kunstliebhaber, der sich diesen wechselnden Erfahrungen hingibt.

Der Ausstellung sind viele solcher Nutznießer zu wünschen!

INFO:

Helga von Jena und Hildegard Peetz – Habseligkeiten; Mosbach, Altes Schlachthaus, 5. Juni - 10. Juli 2005, Do, Sa, So jeweils von 14-18 Uhr 

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