Pressearchiv 2008

Rhein-Neckar-Zeitung, 17. 9. 2008

Der Schlachthof wird zur „Denkfabrik“

Kunstdetektiv“ Jens Andres sucht das Glück – Ironische „Crossover-Malerei“

 

Von Peter Lahr

 „Ich bin Tiermaler“, behauptet der Mainzer Künstler Jens Andres – und wirkt darüber selbst am überraschtesten. Tatsächlich gibt sich seit Sonntag im Alten Schlachthaus, dem Mosbacher Domizil des Kunstvereins Neckar-Odenwald, Dürers Hase ein fröhliches Tête-à-tête mit einem Pokémon, verbellt ein treudoof blickender Hund einen zähnefletschenden Dino und landet ein vorwitziger Zaunkönig – nur in einer schwarzen Silhouette wiedergegeben – mitten auf dem Geweih eines röhrenden Hirschs. Letzterer wiederum sieht aus, als komme er direkt aus dem Vierfarbplotter.

Was der Künstler als „Crossover-Malerei“ bezeichnet, vollzieht er auf mehreren Ebenen. Einerseits kombiniert Jens Andres bekannte Motive aus dem Kanon der abendländischen Hochkunst – immerhin studierte er zunächst vier Jahre lang Kunstgeschichte – mit Comicfiguren. Andererseits setzt er hier flauschig weiche Stofflichkeit, wiedergegeben in brillanter Maltechnik, kühlen Oberflächen von Kunststoffprodukten und Hektogrammen gegenüber.

Geduldig erläutert Andres auch, was er sich beim Ausstellungstitel „Die Denkfabrik“ gedacht hat: „Das war ja mal ein Schlachthof hier, also eine Art Fabrik. Meine Bilder sollen den Betrachter zum Denken anregen.“ So einfach kann es manchmal sein. Und wie um diese Aussage zu untermauern, lautet ein „sprechender“ Titel: „Was ich fürchte ist die Gedankenlosigkeit.“ Mindestens so sehr fürchtet sich Jens Andres auch vor gleichgültigen Betrachtern. Er möchte mit seinen Werken eindeutige Reaktionen heraufbeschwören, polarisieren: „Entweder Zustimmung oder Ablehnung erfahren.“ Dass diese auch mit dem Alter des Betrachtenden zusammenhängen kann, hat Jens Andres, selbst Jahrgang 1967, bereits des öfteren erfahren. Menschen jenseits der 45 rümpften gerne die Nase darüber, Comicfiguren in die Kunst zu integrieren. Für jüngere Zeitgenossen sei das gar kein Problem. Denn sie seien in einer Welt voller Comics aufgewachsen.

Als „Alter ego“ hat sich der „Kunstdetektiv“ (Andres über Andres) den alterslosen Reporter Tintin auserkoren, über den bereits sein „Vater“, der belgische Comickünstler Hergé sagte: „Tintin c’est moi“. Wobei man hinzufügen könnte, dass „Tintin“ auf Französisch ein Ausdruck für „gar nichts“ ist. „Auf der Suche nach dem Glück 2“ zeigt in einem akkurat gezirkelten Irrgarten nicht nur das Konterfei von „Tim“ (ohne Struppi), sondern auch allerlei Requisiten, mit denen man das Glück im Kleinen wie im Großen finden könnte. „Ich versuche mit Ironie das Hintergründige zu fassen“, erklärt der Maler. Wie die drei Fragezeichen kann sich der Betrachter seinen Reim auf Fernglas, Mikroskop und Schiff machen. Oder sich wie der Maulwurf durch die Gedankengänge wühlen.

Dass sich Jens Andres Werke „an der Schnittstelle von Malerei und Installation“ bewegen, betont Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh. Er spielt damit auf die besondere Form der Präsentation an. Denn Andres setzt seine Bilder aus mehreren Keilrahmen zusammen. Ähnlich wie Dominosteine von einer spannenden Partie auf dem Tisch erzählen, füllt der Maler damit die Wände. „Lassen wir uns vom Charme und der Intelligenz der Bilder gefangen nehmen“, rät Zeh. „Wer hat sich nicht schon Gedanken gemacht über die Ungereimtheiten des menschlichen Lebens?“, fragt Bürgermeister Michael Keilbach. Dass Jens Andres zu seinen Lieblingskünstlern zähle, gesteht der Laudator Dr. Dietmar Schuth, der Leiter des Kunstvereins Schwetzingen. Am Ende seiner sehr lebendigen Einführung stellt er zufrieden fest: „Der Pinsel wird auf den neuesten Arbeiten sehr viel freier.“ Anarchist, der er sei, gebe uns Jens Andres keine Antworten: „Die Sprechblasen bleiben leer.“

 

 

 

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