Pressearchiv 2008

Rhein-Neckar-Zeitung, Oktober 2008

Mechanisches Ballett regt zum Nachdenken an

Kunstverein zeigt Josefh Dellegs Installation „step by step“

 

von Peter Lahr

Wer am Sonntagvormittag das Buchener Kulturforum „Vis-à-Vis“ betrat, der nahm Josefh Dellegs Installation „step by step“ zunächst nur akustisch wahr. Ein leises Sirren lag in der Luft, das an Transformatoren von Modelleisenbahnen erinnerte – und tatsächlich arbeitete hier eine Vielzahl von kleinen Bühler-Motoren aus Nürnberg. Der erste Blick auf das in vier Tagen aufgebaute Kunstwerk verstärkte den Eindruck des Außergewöhnlichen.

„Wir haben heute eine ganz andere Raumsituation“, brachte es Kuratorin Ulrike Thiele auf den Punkt, nachdem Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh die rund 50 Kunstfreunde, darunter Kulturamtsleiter Rainer Trunk, begrüßt hatte.

Da die Arbeit nahezu die gesamte Bodenfläche des „Vis-à-Vis“ bedeckte, war die Bewegungsfreiheit der Besucher eingeschränkt. Sie fanden auf drei Reihen weißer Plastikstühle Platz und saßen damit gewissermaßen auf der VIP-Tribüne, von der sie die Augen frei schweifen lassen konnten über einen rätselhaften Massenauflauf. Dieser bestand aus 700 Schuhleisten. Josefh Delleg hat sie über ein mit Rötelkreide angelegtes Raster auf dem Fußboden genau ausgerichtet. 100 Schuhleisten hat der Künstler zusätzlich mit kleinen Motoren ausgerüstet. Darin stecken Messingstäbe, filigrane Stangen für die selbstgemalten Fähnchen. Ein mechanisches Ballett als fröhlicher Kontrapunkt zu den stumm verharrenden und unterschwellig bedrohlich wirkenden Schuhleisten, die dem Betrachter zugewandt sind?

„Um was geht es Josefh Delleg?“, fragte Ulrike Thiele und stellte klar, dass sie keine Erklärung, wohl aber ein paar Gedankensplitter zu dem singulären Werk beisteuern wolle. Ähnlich wie der Mensch die Welt mit Längen- und Breitengraden aufgeteilt habe, um sie zu begreifen, habe sich der Künstler mit dem flüchtig angelegten Rötel-Raster den Raum erschlossen. Bereits zuvor habe er in seinem Atelier in wochenlanger Arbeit die 700 Schuhleisten mit Ausschnitten von Landkarten beklebt. Normalerweise bilden Fahnen ein Zeichen für territoriale Hoheit. Zwar hat Josefh Delleg seine Fähnchen aus der Fantasie entworfen. „Andererseits werden Fahnen geschützt und es gilt als Verbrechen, sie zu verbrennen.“

Die unterschiedliche Ausrichtung der Schuhleisten – die einen bewegen sich auf den Betrachter hin zu, während sich die Fahnenschwenker von ihm weg zu bewegen scheinen – bildete für Ulrike Thiele ein gegenläufiges Spiel. Daraus schlussfolgerte sie: „Die Menschen sind alle gleich, führen aber doch ein individuelles Eigenleben.“ Trotz generellen Gleichmaßes könne man auch bei den Fahnenschwenkern feine Differenzen bemerken. Eine Frage, die sich dem Betrachter unweigerliche stelle, laute: „Was passiert, wenn eine Fahne wegfällt? Oder zehn? Oder die Hälfte?“ Für die Kuratorin leitete sich daraus die gesellschaftspolitische Konsequenz ab: „Wenn irgend etwas nicht stimmt, kann man es auch stoppen. Kritik lohnt sich.“ Mit der Installation sei ein Kunstraum entstanden, ein Angebot an den Betrachter: „Vielleicht entdecken sie ihren eigenen Raum?“, hoffte Ulrike Thiele.

„Diese Ausstellung wird von sich Reden machen“, war sich Rainer Trunk sicher. Und es sei ja kein geringer Verdienst, wenn über Kunst geredet werde. Zwar seien zur geistigen Auseinandersetzung mit moderner Kunst nicht immer viele Mitmenschen bereit. Um so verdienstvoller sei das Engagement des Kunstvereins, der das Kulturleben der Stadt schon lange bereichere. „Das Hinterfragen gilt auch als Aufgabe des Kunstvereins“, unterstrich der Kulturamtsleiter und wünschte: „Zeigen Sie weiter Flagge.“

Abstrahierende Kopfzeichnungen und das humorvolle Objekt „Blaubeerenfalle“ vervollkommnen Josefh Dellegs Ausstellung.

 

 

 

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