Pressearchiv 2009

Rhein-Neckar-Zeitung, 5. Mai 2009

Zwei Künstlerinnen loten den Raum aus

Ulrike Thiele und Alfie Stauch-Zuppinger zeigen im Kunstverein „Doppelspiel“ – „Volles Haus“ bei der Vernissage

 

von Peter Lahr

Gegenseitiger Respekt, eine sehr gute Kommunikation, ein klar abgesprochenes Spielfeld und das möglichst präzise Einhalten der eigenen Position, darin sah Laudatorin Birgit Höppl, Kunsthistorikerin aus Neu-Ulm, die idealen Voraussetzungen für ein gelungenes „Doppelspiel“. Was für ein Badminton- oder Tennismatch gelte, lasse sich auch auf das Doppel übertragen, das Ulrike Thiele und Alfie Stauch-Zuppinger seit Sonntag im Alten Schlachthaus, dem Mosbacher Domizil des Kunstvereins Neckar-Odenwald, zeigen.

 Dass es sich hierbei nicht um eine „willkürliche Ausstellungsliaison“ handelt, davon konnten sich die rund 100 Gäste bei der Vernissage schnell überzeugen. Die Objekte, Gemälde, Zeichnungen und Fotografien belegten zwar keine gemeinsame Programmatik. Doch ohne eine grundlegende „Verwandtschaft im Tun“ wäre der 12 Jahre andauernde Dialog der beiden Künstlerinnen – zwischen Überlingen am Bodensee und Mosbach – sicher nicht so ertragreich verlaufen.

Die aus Freyung im Bayerischen Wald stammende Alfie Zuppinger lernte ihr Maler-Handwerk in Berlin bei der monochromen Malerin Gabriele Schade-Hasenberg. Ihre zunächst dunklen, schweren und warmtonigen Farbfelder wurden seit dem Umzug an die Uferpromenade 1997– „seitdem gibt es den Stauch nicht nur als Namenszusatz“ – kleinformatiger und lichter. Der Zufall durfte beim langen Entstehungsprozess der vielschichtigen Werke mitspielen. Manche Landschaft habe sich einen Weg in die Gemälde gebahnt. „Der scharfe Blick ist auch beim unscharfen Motiv zwingende Voraussetzung“, erläuterte Höppl die Fotografien Stauch-Zuppingers. „Sie inszeniert nichts und bearbeitet nichts digital nach.“

 „Das Ausloten räumlicher Konsistenz“, das Stauch-Zuppinger mittels malerischer Schichtungsprozesse betreibe, verfolge Ulrike Thiele auch bei ihren Objekten und Graphiken. Hinzu geselle sich das Hinterfragen von Oberfläche und Wirkung. Die beiden Turmsilhouetten aus Kupferrohr etwa stünden u.a. zwar für die Sehnsucht nach bergender Behausung. Doch seien sie recht fragil. Für Irritation sorge auch der „leicht stinkende schwarze Schlauchnachbar“. Dass es Ulrike Thiele um die bildhafte Übersetzung der Brüchigkeit gehe, belegte die Laudatorin mit dem Objekt „Kreis-Eiche“, das lediglich aus leicht verklebten Furnierplättchen bestehe. „Da ist kein Staat damit und keine Schrankwand daraus zu machen.“ Durch den Architektenberuf ihres Vaters sei Ulrike Thiele bereits von klein auf mit Fragen nach Konstruktion, Stabilität und Materialwahl konfrontiert worden. Statt Architektur habe sie aber Schmuck- und Gerätedesign in Pforzheim studiert, das „kleine Format“ aber bald bverlassen, um bildnerisch zu arbeiten.

Thieles raumgreifendes „Kartenhaus“ empfängt den eintretenden Besucher. An Spielkarten, die ein Riese wütend in den Raum geschleudert haben mag, erinnern drei Platten, die von überdimensionierten „Mikadostäben“ am Umfallen gehindert werden. Das Objekt wirkt wie der eingefrorene Moment einer Aktion und becirct mit einem spannenden Spiel von Licht und Schatten.

Das Motiv des Doppelspiels setzt Alfie Stauch-Zuppinger bei ihrer Hängung fort. Gerne kombiniert sie verschwommen wirkende Fotografien mit Malerei. Dass einmal das Foto einer grünen Wand wie gemalt aussieht, der fotografierte Tannenbaum daneben in Schwarz-Weiß erscheint, regt die Fantasie an.

Schon den Titel der Ausstellung sei hintersinnig, befand OB Michael Jann in seinem Grußwort und freute sich mit MdL Georg Nelius über das „volle Haus“, das man den beiden „Zugpferden“ verdanke. Dass die Bedeutung des Materials für die Gestalt, Form und ästhetische Wirkung eines Kunstwerks seit den 1980er-Jahren neu erkannt wurde, habe eine „andere Geschichte der Moderne“ ermöglicht, erläuterte Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh in seiner Begrüßungsrede und freute sich auf einen spannenden Verlauf des „Doppelspiels“.

Zuvor hatte Zeh des am Samstag 61-jährig verstorbenen Prof. Dr. Dr. Joachim Mühling gedacht und ihn als geschätzte Persönlichkeit, hilfsbereiten Menschen sowie Förderer der Kunst bezeichnet.

 

 

 

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