Pressearchiv  2008

Rhein-Neckar-Zeitung, 11. Juni 2008

„Papier kann mehr als Leinwand“

Ute Maria Schmid zeigt im Kunstverein „Neue Arbeiten“ - Rätselhafte Papierobjekte und „Farbmaterie pur“

 

Von Peter Lahr

„Wer will in einer Gesellschaft ohne Kunst leben?“, mit dieser rhetorischen Frage begrüßte Kunstvereins-Vorsitzender Werner Zeh am Sonntagvormittag 30 Gäste zur Vernissage der Karlsruher Künstlerin Ute Maria Schmid im „Alten Schlachthaus“. Und doch grämte sich der Redner ob des punktuellen Überangebots von Kunst. Dass gleichzeitig nur wenige hundert Meter entfernt eine weitere Vernissage stattfinde, sei „eigentlich ein schlechter Stil“. Mit einem Zitat von Picasso gab Bürgermeister Michael Keilbach seinem Grußwort eine humorvolle Note: „Man versucht doch nicht, den Gesang eines Vogels zu verstehen. Warum versucht man, Kunst zu verstehen?“, fragte sich der Großmeister des vergangenen Jahrhunderts. „Ich hoffe, ein wenig für unser Kunstverständnis zu tun“, setzte Laudatorin Maria Lucia Weigel prompt dagegen. Zwar sei Ute Maria Schmid Malerin, gleichwohl lasse sich schon auf den ersten Blick ablesen, dass es ihr auch auf den Umgang mit dem Raum sowie um zeitliche Phänomene gehe. „Farbmaterie pur bietet sich dem Blick dar“, kommentierte die Heidelberger Kunsthistorikerin die Installation „Johanna schaukelt“. Gleich neben der Tür stapelte Ute Maria Schmid Farbtöpfe. Manche davon sind geöffnet und geben den Blick frei auf leuchtende Druckerfarben. Es wirkt ein wenig wie die übriggebliebene Palette eines Riesen. Wenn der Betrachter die Installation umkreise, so füge er der Farbe das Element der Bewegung hinzu, erläuterte die Laudatorin. Auch bei anderen Werkgruppen sei das Prinzip der Ordnung, der Einbindung materieller Fülle in Strukturen zu erkennen.

„Farbe ist das Wichtigste. Sie sucht sich eine Form“, formulierte es die Künstlerin. Und sie bekannte sich zu ihrem Lieblingsmaterial: „Papier kann mehr als Leinwand.“ Vom Stillleben kommend, habe sie dessen Vorteile schnell erkannt: „Ich kann mit Papier direkt arbeiten, mit Messer und Schere. Das ist ganz haptisch.“ Auch gefällt es Ute Maria Schmid, mit vorgefundenen Materialien zu arbeiten. „Muss es denn immer ein aufwändiges Material sein?“, frage sie sich häufig. Egal ob Packpapier, Papiertüten, Mehlbeutel oder Verpackungen für Beton. Sie müsse immer auf Vorgefundenes reagieren. Und genau das empfinde sie als einen großen Reiz: „Die Materialfülle hört nie auf. Das ist ein Strom, wie ein Paradies, das gibt mit Freiheit.“ Mittlerweile bekomme sie nicht nur von den Mitabeitern der Karlsruher Druckerei Engelhardt & Bauer regelmäßig „interessante Stücke“. Dass es sich bei den Tüten fast um ein Abfallprodukt handelt, dahinter verberge sich eine Haltung – aber keine Botschaft. „Ich möchte nicht bei dem Konsum mitmachen“, unterstrich Ute Maria Schmid.

So einfach der Malgrund, so komplex gestaltet die Schülerin von K.R.H. Sonderborg die Maltechnik: „Zum Teil verwende ich mittelalterliche Rezepte“, verriet Schmid. Zunächst grundiere sie die Tüten ganz klassisch mit Kreide und Leim. Ihre Kaseintemperafarben mische sie selbst aus den unterschiedlichsten Pigmenten. Denn: „Mit Acrylfarben könnte ich niemals solche Effekte erreichen.“ Immer wieder bleibt das Weiß der Grundierung stehen. Im Wechsel mit orangen, braunen und schwarzen Streifen komponiert Schmid abstrakte Sequenzen. Bei neueren Arbeiten übernimmt sie die rautenförmige Falz des Bodens auch farblich. So entsteht mitunter der Eindruck eines rätselhaften Flaggenalphabets. Faltet die Künstlerin bemalte Papiere zu „Päckchen“, so erobert sie schnell die dritte Dimension. Die hierfür benutzten Verschnürungen transferiert sie einen Schritt weiter gehend ebenfalls zu autonomen Kunstwerken. „Tauchen wir ein in die berauschende und zugleich gebändigte Farbigkeit dieses Werkes“, wünschte Maria Lucia Weigel – auch wenn manches vielleicht provoziere.

 

 

 

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