Habseligkeiten

Eröffnungsansprache 5. 6. 2005

 

„Habseligkeiten“ - Helga von Jena und Hildegard Peetz

Kunstverein Neckar-Odenwald, Mosbach

 

Installationen verschränken Gegenstände, Dinge oder Artefakte mit dem Raum, mit der Architektur und zwar so, dass eine Form des Raumes – in diesem Fall die zweidimensionalen Form „ Bilder“ - von einer anderen Form, einem umrahmenden Rahmen – Wände, Decke, Boden – eingehüllt wird. Diese letztendlich stabile Form wird durch an den Wänden hängenden dreidimensionalen Figuren und Gegenstände destabilisiert. Solche differenzierte Wahrnehmungen sind jedoch nicht ohne den teilnehmenden Betrachter zu denken, der sich in der Installation bewegt und sie unter ständig verändernden Bedingungen rezipiert.

Beide Künstlerinnen  - Helga von Jena und Hildegard Peetz – haben bereits mehrere gemeinsame Installationen erarbeitet und immer waren sie so konzipiert, dass die Ausstellungsbesucher Teil der Inszenierungen waren. D.h. die Betrachter müssen den Zusammenhang finden aufgrund der sinnlichen Erfahrungen der – hier roten – Bildern Helga von Jenas und den subjektiven Vorstellungen von der Welt der Hildegard Peetz, die sie in den kleinen Figuren und Alltagsgegenständen dokumentiert. So wird die Beziehung zwischen Betrachter und dem Kunstwerk destabilisiert, die Wirkung zwischen Wahrnehmung und Wissen wird wechselseitig.

Alltägliches, Unscheinbares Artifizielles, Vorgefundenes, Gestaltetes und Konstruiertes gehen hier eine Beziehung ein. Dabei eröffnen die unterschiedlichen Elemente dieser Ausstellung jeweils eigene Zusammenhänge und Assoziationsketten. Dabei ist kaum eines der hier gezeigten Arbeiten sozusagen unbelastet, man kennt alles aus verschiedenen Kontexten, und somit werden auch die Bestandteile der Ausstellung von Jedem subjektiv wahrgenommen.

Diese Zusammenhänge und Assoziationsketten sind wiederum Gerüst: Habseligkeiten kennen wir alle und in jeder Alterstufe werden sich der Inhalt, die Gestalt oder auch die Bedeutung von Habseligkeiten ändern. Jeder kennt den Aufbewahrungsort seiner Habseligkeiten – von der Schatzkiste bis zur Tischschublade – der Ort der Habseligkeiten wird im schwäbischen als „Maukennest“ bezeichnet. Ein Ort, wo eigentlich alles zu finden ist. Das Wort „Habseligkeiten“ wurde 2004 vom Deutschen Sprachrat zum Wort des Jahres gekürt. Vielfältig und wie zufällig muss die Ansammlung von auf den ersten Blick wertloser Gegenstände sein – so die Begründung - dabei müssen sie aber zugleich für ihren Besitzer einen Wert darstellen. Und weiter wird die Spannung zwischen den beiden Worthälften erklärt: Es werden zwei Bereiche verbunden, die nicht unterschiedlicher sein könnten: das höchst weltliche Haben, d.h. der irdischen Besitz, und das höchste und im irdischen Leben unerreichbare Ziel des menschlichen Glückstrebens: die Seligkeit.

Die hier gezeigten Bilder von Helga von Jena sind wie in rotes Glitzerpapier eingewickelte Habseligkeiten. Bei genauem Hinsehen werden die Untergründe und die Hintergründe sichtbar, aber ebenso die Malspuren. So verschließen sich z.B die Bilder 3, 10 und 15 dem Hinterfragen. Nur bei längerem Hinsehen enthüllen sie dunkle Farbinseln, hellere Farbspuren, die wie ein Gitternetz das Bild überziehen, in denen sich kleinere Formen verfangen haben. Dagegen stehen die Bilder 1 und 6, deren düstere Grundhaltung Einblicke in brodelnde Abgründe gewähren, ähnlich Vulkanschloten, deren baldige Eruption erahnbar scheint. Umso mehr hebt sich das Bild 9 ab, durch das rote Gitternetz kann der Blick in helle elysische Gefilden sich ausweiten, nur ganz vereinzelt hängen oder schweben im Vordergrund dunkle Fäden. Es ist viel zu entdecken in diesen Arbeiten und jeder Betrachter wird andere Habseligkeiten, andere Gefühlsmomente erleben und andere Assoziationen herstellen.

Scheinbar im Gegensatz zu den nur subjektiv erfahrbaren Bildern, stellt Hildegard Peetz ihre weißen Figuren und die ganz realen Gegenstände aus. Reliefartig werden die weißen, aus Papier geformten, Figuren an der Wand angebracht. Es sind Unterschiede erkennbar, aber von einer Individualität kann eigentlich keine Rede sein. Eine Individualität wird scheinbar durch die zugefügten, unter jeder Figur angebrachten realen Gegenstände, erklärt. D.h. ist die Figur mit der Farbrolle ein Handwerker? Oder symbolisiert das Fahrradschloss einen Fahrradfahrer? Aber was ist, wenn diese Gegenstände ausgetauscht werden? Auch hier wieder die Verunsicherung, das scheinbar so Einfache, Sichtbare wird durch die simple Anordnung in Frage gestellt und dient ebenfalls der Verunsicherung des Betrachters.

Am Anfang dieser Betrachtung stand die Behauptung das Gegenstände, die Dinge und die Artefakte sich mit dem Raum verschränken Aber auch, dass die differenzierten Wahrnehmungen  nicht ohne den teilnehmenden Betrachter zu denken sind, der sich in der Installation bewegt und sie unter ständig verändernden Bedingungen betrachtet.

 

Ursula Pawlak, Mannheim

 

 

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