Pressearchiv 2006

1 Buch, 99 Luftballons und 280 Bilder

Zitat-Ballon-Aktion und APG-Schul-Künstler eröffneten die Lese-Aktion „1 Buch im Dreieck“ – In Syrakus besseres Wetter – 99 Ballons stiegen in den grauen Winterhimmel

 

Von Peter Lahr

Mosbach. „1 Buch im Dreieck“ wählten 2000 Lesefans aus der Metropolregion Rhein Neckar. Der Gewinner wurde Friedrich Christian Delius’ Roman „Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus“. Während der nächsten Wochen nähern sich 90 öffentliche Büchereien in 560 Veranstaltungen dem Buch auf sehr unterschiedlichse Art und Weise. Am Samstagnaschmittag startete die katholische öffentliche Bücherei St. Josef den Veranstaltungsreigen in Mosbach mit einer Zitate-Ballon-Aktion vor dem Alten Schlachthaus. Wozu 80 Schülerinnen und Schüler von drei elften Klassen des Auguste-Pattberg-Gymnasiums Neckarelz die Buchlektüre inspirierte, zeigt eine Ausstellung im Domizil des Kunstvereins, die Bernhard Stüber eröffnete.

Zugegeben, die äußeren Verhältnisse erinnerten eher an die Eröffnung eines winterlich verschneiten Weihnachtsmarktes, doch immerhin 30 Bücherfreunde versammelten sich am Samstagnachmittag vor dem alten Schlachthaus im Stadtpark. Birgit Sommer von der katholischen öffentlichen Bücherei St. Josef konnte unter den wetterfesten Leseratten Bürgermeister Michael Jann, Kunstvereins-Vorsitzenden Werner Zeh, Dekan Monsignore Klaus Bader, APG-Schulleiter Hans-Peter Haaß und MdL Gerd Teßmer begrüßen. Sommer freute sich, dass die Ballon-Aktion den Mosbacher Startschuss für das „flächendeckende Experiment 1Buch im Dreieck“ darstelle.

99 bunte Luftballons hatten sechs ehrenamtliche Helfer der katholischen Bücherei St. Josef bereits befüllt und mit Zitate-Postkarten bestückt. Die Teilnehmer an dem Weitflug-Wettbewerb brauchten nur noch ihren Absender auf einzutragen und zu hoffen, dass ihr Luftballon die längste Luftreise unternimmt.

„Eigentlich wären wir heute Nachmittag alle lieber in Syrakus“, befand Bürgermeister Michel Jann und sprach damit aus, was wohl die meisten der Anwesenden insgeheim dachten. Eine weitere Parallele zum Helden des Buches, dem Kellner Paul Gompitz, sah der Redner: auch unser Recht auf Reisefreiheit sei an diesem winterlichen Verkehrschaos-Wochenende recht eingeschränkt. An einer weiteren der sechs in Mosbach geplanten Aktionen beteiligte sich Jann am Sonntagnachmittag. Da betätigte er sich als Vorleser in der S 1 und stellte seine Lieblingsstellen aus dem Roman in der S-Bahn zwischen Mosbach und Osterburken vor.

Kaum waren die bunten Luftballons in den grauen Nachmittagshimmel entschwunden, eröffnete Bernhard Stüber am Samstag die Ausstellung im Alten Schlachthaus. Was zunächst klein geplant war, habe im Laufe der letzten Wochen immer weitere kreise gezogen. Der Kunsterzieher konfrontierte knapp 80 Schülerinnen und Schüler von drei elften Klassen des APG zunächst mit 76 Zitaten aus dem Delius-Roman. Die Schüler zeigten sich davon zunächst wenig begeistert. So war Stüber froh, in den Personen der Deutschlehrer drei Mitstreiter zu finden, die den Roman den Schülern näher zu bringen suchten.

Der Erfolg gab dem Projekt schließlich Recht. Fand sich am Samstag in Eberbach bei der Auftakt-Aktion nur eine Freizeit-Malerin, die sich dem „Spaziergang“ mit malerischen Mitteln nähern wollte, so konnte sich Bernhard Stüber am Abgabetag kaum mehr vor einer wahren Bilderflut retten: über 280 Zeichnungen und Collagen illustrierten den Roman. Einzig das DIN-A-4-Format einte die Blätter, die Stüber nun einscannte, laminierte und an drei untereinander hängenden „Wäscheleinen“ im Kunstverein-Domizil präsentierte.

Die drei Reihen Bilder können wie ein Riesen-Comic-Strip gelesen werden, da Stüber sie geordnet nach 13 Abteilungen hängte. Ein fiktives Interview mit dem Kellner Paul Gompitz ergänzt die Schau.

Im Mittelpunkt stehen – dem Lehrplan genüge tuend – die Zufallstechniken, nach dem lateinischen Wort „alea“ für Würfel von Fachleuten gerne „aleatorische Techniken“ genannt.

Trotz Schulferien ließ es sich die Schülerin Angelina Kollak nicht nehmen, der Ausstellungseröffnung persönlich beizuwohnen. Eine ihrer Collagen zeigt ein Segelboot, der Begriff der „weißen Flotte“ habe sie dazu inspiriert. Bereits bei der Materialwahl bewies die junge Künstlerin großen Einfallsreichtum. „Ich wollte das blaue Meer und Segelschiffe darstellen. Für den Hintergrund meiner Collage nahm ich den Stoff eines alten Regenschirms mit Wolken drauf. Die Silhouette des Segelschiffs setzte ich aus silberfarbigen Streifen zusammen, die ich mit einem Cutter von Weihnachtsgeschenkpapier ausgeschnitten habe“, erklärte Angelina Kollak.

Auch MdL Gerd Teßmer lobte die fächerübergreifende APG-Kunst-Aktion. Sie gebe den Jugendlichen die Chance, hineinzuschnuppern in politisches Denken.

Bunt, vielseitig und ideenreich präsentieren sich die Arbeiten. Sie zeigen zu Symbolen erhobene Autos, Möbel, Bücher, Stadtpläne und historische Gebäude. Auch die Silhouette eines Kellners, Geldscheine und eine Insel Namens „Sozialismus“ taucht im Strom der Bilder auf. Immer wieder erscheint das Bild einer Brücke, sie verbindet Dresden mit Rom, Vergangenheit mit Gegenwart, und bündelt in dem Satz: „Ich bin jetzt hier.“ Einziger Wermutstropfen: die angekündigten szenischen Standbilder zum Buch wurden Opfer des Wetters wie der Schulferien.

 

 

 

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