Pressearchiv 2006

Ein geheimnisvoller Märchengarten auf Zeit

Zipora Rafaelov zeigt Installation „Glas – Haus“

 

Von Peter Lahr

Weiß ist die Farbe der Unschuld, doch gibt es auch die „Weiße-Kragen-Kriminalität“. Weiß sind das Brautkleid, der Schnee, die Margeritenblüte und das Blatt Papier. Im Werk der Künstlerin Zipora Rafaelov dreht sich alles um die Farbe Weiß. Seit Montag errichtet sie im Kunstverein im Alten Schlachthaus ihre Installation „Glas – Haus“. Am morgigen Sonntag um 11 Uhr eröffnen Werner Zeh, der Vorsitzende des Kunstvereins Neckar-Odenwald, und Dr. Herbert Schneidler, der Leiter der Städtischen Galerie Regensburg, die Ausstellung. Kein Geheimnis ist die Farbe des Kleides, das Zipora Rafaelov tragen wird.

Die kleine Taube und der große Schmetterling, sie bildeten die Ausgangspunkte für die Installation von Zipora Rafaelov. Dass die Absolventin der Düsseldorfer Kunstakademie ins Nordbadische kommt und dort während einer Woche ihre Raum-Installation „Glas – Haus“ realisiert, das ist einerseits das Verdienst des Kunstverein-Kurators Werner Zeh. Doch eigentlich noch mehr das des Raumes. Von der Atmosphäre des Alten Schlachthauses war die 1954 im israelischen Beer-Sheeva geborene Künstlerin auf Anhieb angetan.

Für ihr erklärtes Ziel, eine Zeichnung dreidimensional darzustellen, muss Zipora Rafaelov viele Arbeitsschritte absolvieren. Es beginnt mit einer Vor-Zeichnung. Auf eine monumentale schwarze Plastikfolie trägt die Künstlerin mit weißer Acrylfarbe eine Vielzahl von Umrissformen auf. Der Taube und dem Schmetterling folgen ein Haus, eine Gitarre, ein Dinosaurier, noch ein Schmetterling, Pflanzen und Tiere.

Anschließend überträgt Zipora die Formen auf eine vier Millimeter starke Holzplatte und sägt sie fein säuberlich aus. Jede Kante schleift die Bildhauerin bis zu sechs mal, bis sie eine akkurate Umrisslinie besitzt. An kleinen Löchern werden die makellos weiß angemalten Formen befestigt.

Ihre Zeichnung transferiert  Zipora Rafaelov in Mosbach auf elf hintereinander gestaffelte Reihen. In jeder Reihe hängen 50 weiße Fäden senkrecht. Jeder Faden misst 425 Zentimeter! Welche Form in welche Reihe aufgenommen wird, das entscheidet Rafaelov vor Ort. Insgesamt zwei Kilometer weißer Spezialfaden, aus dem normalerweise Segeltuch gesponnen wird, bilden nach tagelanger Arbeit im Zentrum des Alten Schlachthauses einen rechteckigen, weiß flirrenden Kunstraum.

Durch die allansichtige Installation wandert das Tageslicht. Um alle Formen zu sehen, die Licht und Schatten bilden, müsste ein Besucher eigentlich einen ganzen Tag lang im Schlachthaus bleiben.

Zum Titel des Werks inspirierte Rafaelov die Transparenz ihrer Arbeit, die sie an ein Gewächshaus oder Terrarium erinnert. Die einzelnen Formen sollen den Betrachter dazu inspirieren, eine eigene Geschichte zu erfinden: „Letztendlich sind meine Arbeiten wie Märchen. Das ist eine heile Welt, das ist eine Illusion, aber das gibt es ja nicht.“

Die Farbe Weiß habe viele Bedeutungen. Für Rafaelov steht die Reinheit der Linie im Vordergrund. Zudem lasse Weiß dem Betrachter keine Fluchtmöglichkeit. Er könne sich nicht in die Farbe flüchten, sondern müsse sich ganz mit den Formen auseinandersetzen.

Ebenfalls zum Konzept gehört die Vergänglichkeit. Nach einem Monat wird die Installation wohl wieder zerstört. „Das ist pervers“, empfindet Rafaelov und hofft deshalb bis zum Ende der Ausstellung, dass vielleicht doch ein Wunder geschehe. Wenn sie beim Abbau die erste Schere ansetzt, dann mache es „Peng! Und der Zauber ist weg.“ Auch für Josef Weiss, der den Aufbau tatkräftig unterstützt, werde dieser Moment sicher schwer.

Dass Zipora Rafaelov mit ihren ebenso grazilen wie poesievollen Arbeiten auf die vorgegebenen Räumlichkeiten eingehe und damit Zeichen setze gegen eine häufig zu beobachtende Beliebigkeit in der Kunst, das fasziniert Laudator Dr. Herbert Schneidler besonders.

 

 

 

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